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"Anfangs sind wir belächelt worden"
Von der Milchwirtschaft mit Fleckvieh zu Charolais-Kühen gewechselt Von Marisa Pilger Bad Endorf/Höslwang– Vorbei die Zeiten, als der Kuhstall noch ein lauschiges Plätzchen im Warmen bot – zumindest auf den Höfen von Paul Guggenberger in Bad Endorf und Josef Siferlinger, Höslwang. Der Offenstall beim einen, der zur Laufhalle umgebaute Kuhstall beim anderen, bieten robusten Fleischrindern während der Wintermonate ein luftiges Quartier. Auch der Anblick der Charolais-Kühe, auf die die beiden Landwirte - die einzigen beim bayerischen Fleischrinderverband in Ansbach registrierten Züchter aus dem Landkreis Rosenheim - seit einigen Jahren setzen, ist für Fleckvieh-gewöhnte Augen nicht alltäglich. „Eisbärig“, sagt der Endorfer Guggenberger und meint die cremefarbene Tönung des Fells ebenso wie dessen dick- pelzige Beschaffenheit in den kalten Monaten. Auch die gedrungenen Körper – mit viel Fleischbesatz an den Lenden, erklärt Siferlinger aus Höslwang– unterscheiden die „Einwanderer“ aus Frankreich von ihren süddeutschen Kolleginnen. Und vor allem: gemolken werden sie ausschließlich von ihren Kälbern, die vom ersten Tag an mit den Müttern mitlaufen; wenn die nicht mehr saufen, versiegt die Milch.
Für Siferlinger stellen die Charolais eine echte Alternative dar. Die Tiere sind im Sommer im Großen und Ganzen sich selbst überlassen; die Arbeit, schätzt er, ist mit 0,3 Arbeitskräften zu bewältigen - vor allem, weil das tägliche Melken wegfällt. Einen Teil seiner Tiere verkauft er zur Weiterzucht, einen Teil lässt er bei einem Söchtenauer Metzger schlachten. Anders Paul Guggenberger. Wegen der großen Nachfrage konzentriert er sich, ebenfalls im Nebenerwerb, nur noch auf Zuchttiere. Er und seine Frau wollten mit der Hof-Übernahme vor gut zehn Jahren raus aus eingefahrenen Pfaden, weg von den Milchkühen. „Anfangs wurden wir oft belächelt“, erinnnert sich Cornelia Guggenberger. Doch dass sie mit ihrer Entscheidung für eine extensive Bewirtschaftung richtig liegen, davon sind sie überzeugt: Auf jedem Hektar ihrer vier Weiden grast von April bis Oktober durchschnittlich nur eine Charolais-Kuh samt Kalb; die Quote bei intensiver Bewirtschaftung liegt um gut die Hälfte höher.
Den Rest ihrer 40köpfigen Herde wollen die Guggenbergers am Montag in den Stall bringen. Ein wildes Treiben erwartet der 41jährige allerdings nicht; Charolais neigen zum Phlegma. „Wenn ich rufe, kommen sie – oder eben nicht“. Überhaupt, der Stall: die auf drei Seiten geschlossene Konstruktion wurde 1991 errichtet. Bei Schneefall bevorzugen die Rindviecher allerdings nicht selten den Laufhof, haben eine dicke Schneeschicht auf dem Buckel - und erinnern an Eisbären mit Hörnern. In der Kälte sieht man dann in der Halle den Dampf aus der Tretmistauflage aufsteigen; sie wirkt wie eine Fußbodenheizung. Nur - so richtig warm wird's in diesem Kuhstall im Winter nicht. 3. November 2003 Charolais-Kühe als Marktnische nutzen?
Landwirtschaftsamt sehr skeptisch Bad Endorf/Höslwang/Landkreis (pil) – Zum alltäglichen Landschaftsbild gehören die Charolais-Kühe im Raum Rosenheim beileibe nicht; eher schon im Bayerischen Wald, in Kärnten und im Allgäu. Ursprünglich stammt die wetterfeste Rasse aus Frankreich und hielt erst nach dem Zweiten Weltkreig in Deutschland – zunächst im Norden – Einzug. Mittlerweile ist das stark bemuskelte Rind in 68 Ländern verbreitet. Während mit den in der Region erfassten 70.000 Rindern vorrangig Milchwirtschaft betrieben wird, bieten Zucht und Mast der Charolais, auf deren Fleisch Gourmetköche in Frankreich schwören, eine Marktnische, die sich durchaus lohnen kann, erläutert Stefan Kürschner, der Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands. Denn der Ertrag bei Extensiv-Rassen wie auch Angus oder Galloways, so Kürschner, ist groß, die Fleischqualität hervorragend.
Den Lobgesängen auf die Güte des Charolais-Fleisches steht Matthias Aicher, Leiter des Landwirtschaftsamtes Rosenheim, allerdings mehr als skeptisch gegenüber: „Das ist das gleiche Fleisch.“ Man solle „das verwenden, was in großen Mengen da ist, und was preiswert ist“, verteidigt Aicher das heimische Vieh. Schließlich stelle die Milch in dieser Region die wichtigste Einnahmequelle für die Landwirtschaft dar. Und hierfür sei nunmal das Fleckvieh mit einer durchschnittlichen Jahresleistung von rund 6000 Litern prädestiniert. 3. November 2003 nach oben |