Grüß Gott aus dem Raum Rosenheim

Ende des Torfabbaus in der Nicklheimer Filzen
Büchsenmacher im Visier
Peter Fortner
und
Thomas Daurer
"Wunderheiler" Bruno Gröning
Beach-Club am Hochstrasser See?
Charolais-Kühe - Ein seltenes Bild im Raum Rosenheim
Firmenportraits
Postler wirft Briefe ins Altpapier
Berichte aus der Region Rosenheim
Berichte aus der Stadt Rosenheim
Berichte aus Raubling
Berichte aus Aschau
Berichte aus Rohrdorf
Berichte aus Thansau
Berichte aus Achenmühle
Berichte aus Lauterbach
Berichte aus Höhenmoos
Aus dem Schulleben
Fotos
Ich über mich
Impressum
Kontakt
Marisa Pilger online

freie Journalistin im Raum Rosenheim


300 Minuten über den "Wunderheiler" Bruno Gröning
Anhänger auch noch nach 55 Jahren - Dreharbeiten sorgten für Aufsehen

Von Marisa Pilger

Rosenheim - Es müssen wahrhaft biblische Szenen gewesen sein, die sich von Ende August bis Mitte September 1949 auf dem „Traberhof“ abgespielt haben. Korrespondenten berichten von einer „Heerschau des Elends“; Lahme, die ihre Krücken von sich werfen, Blinde, die wieder sehen können. Von bis zu 30.000 Menschen täglich - Heilungssuchende ebenso wie Neugierige - die zum „Wunderheiler“ Bruno Gröning pilgern, ist in alten Presseberichten die Rede. Viele harren stunden- wenn nicht tagelang auf dem Gestüt in Happing – damals noch ein Vorort von Rosenheim – aus, um den von Gröning ausgehenden „Heilstrom“ aufnehmen zu können.
Heute, 55 Jahre später, erhält die Diskussion um den wohl bekanntesten deutschen „Wunderheiler“ im Nachkriegsdeutschland neue Nahrung mit dem Film „Das Phänomen Bruno Gröning – Auf den Spuren des ,Wunderheilers'“. Das Mammutprojekt unter der Regie von Gröning-Anhänger Thomas Busse zeichnet in insgesamt 300 Minuten die Lebensstationen eines nach wie vor umstrittenen Mannes nach, der zeitweise abertausende Menschen aus aller Welt in seinen Bann gezogen hat; sogar Parallelen zum Leben Christi werden gezogen. Grönings zum Teil von medizinischer Seite bestätigten Heilerfolge waren für die einen Geschenke einer höheren Macht, für andere dagegen nichts als Scharlatanerie.
Doch schon bald nach seinem Aufenthalt in Rosenheim legt sich der Wirbel um den gebürtigen Danziger (Jahrgang 1906) mit dem dicken Hals; er bekommt ein Redeverbot auferlegt und tritt nur mehr im kleinen Kreise auf. Seitenlange Zeitungsberichte über wundersame Genesungen und Fernheilungen werden abgelöst von Meldungen über Skandale, Streitigkeiten mit ehemaligen Mitarbeitern und Prozesse. Der „Meister“ selbst muss sich wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz vor Gericht verantworten, darüberhinaus wird er der fahrlässigen Tötung bezichtigt. Gröning, dem vorgeworfen wird, eine junge TBC-kranke Frau vom Arztbesuch abgehalten und dadurch ihren Tod verursacht zu haben, wird zu 5000 Mark Geldbuße und zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Am 26. Januar 1959, noch bevor das Revisionsgericht sein Urteil fällen kann, stirbt Gröning in Paris an Magenkrebs.
„Der alleinige Arzt aller Menschen ist und bleibt unser Herrgott.“, betonte Gröning immer wieder. Er selbst gebe durch sein Reden und Schweigen nur die Heilkraft Gottes weiter; und gesunden könne nur, wer an das Gute glaube und den Willen zur Gesundheit habe. Bereits als Kind habe er auf Mensch und Tier eine außergewöhlich beruhigende Wirkung gehabt. Jede freie Minute verbrachte er im Wald, „wo ich Gott erlebte“, wird er zitiert. Und schon damals habe er die außergewöhnliche Gabe gehabt, Ereignisse in der Zukunft voraussagen zu können.
Dass die Ärzteschaft Grönings teils der Psychotherapie verwandten Methoden vorwiegend ablehnend gegenüberstand, hatte hauptsächlich wirtschaftliche Gründe, mutmaßen die Film-Macher: die Mediziner fürchteten um ihre Pfründe. Wissenschaftler sprachen dagegen von Massen-Suggestion durch Gröning.
Wochenlang bestimmte Bruno Gröning im Jahr 1949 auch die Rosenheimer Schlagzeilen. Foto: pil
Einen großer Teil des Streifens, der nach fast neunjähriger Vorarbeit seit Herbst 2003 in Kinos der größeren deutschen Städte läuft, machen die teils sehr leidenschaftlichen Aussagen rund 80 Zeitzeugen über wundersame „Heilungen“ – eigene sowie denen von Familienangehörigen und Freunden – aus. Übereinstimmend schildern Mitarbeiter und Anhänger (von der Friseuse bis zum Verkaufsleiter) Gröning als tiefreligiösen, bescheidenen und glaubwürdigen Menschen. Spiegel-Berichten zufolge soll dieser jedoch Alkohol und Frauen nicht abgeneigt gewesen sein; die Veröffentlichungen des Online-Magazins stützen sich auf Aufzeichnungen früherer Mitarbeiter des „Wunderdoktors“ aus Westfalen.
Bemerkenswert ist, dass Bruno Gröning auch 55 Jahre nach seinen großen Auftritten in Herford und Rosenheim die Menschen mobilisiert: Bei strahlendem Sonnenschein nahmen am vergangenen Sonntag 56 zahlende Zuschauer in einem abgedunkelten Saal im Parkhotel Crombach Platz. Und höchstens die Hälfte wäre überhaupt alt genug gewesen, um Gröning sozusagen „live“ miterlebt zu haben. Weitere Vorführungen sind für die beiden kommenden Sonntage (Beginn: 13.30 Uhr) angesetzt. Der Eintritt kostet zwölf Euro.
Die jüngeren seien wieder aufgeschlossener für Unbekanntes, erklärt eine Angehörige des Rosenheimer Freundeskreises den Zulauf. Sie selbst sei vor Jahren zum Gröning-Kreis gestoßen, allerdings nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern sie habe die Verbundenheit zu Gott gesucht. Doch, betont sie, „über Religion wird bei uns nicht gesprochen“.
In der Region, insbesondere in Höslwang, hatte bereits die Entstehung des Dokumentarfilms für Aufsehen gesorgt, als im Mai 1997 die „Traberhof“-Szenen im Ortsteil Obergebertsham mit 3000 Statisten aus Gröning-Kreisen nachgedreht wurden (wir berichteten).
Am 7. Juni 1949 hatte das Land Nordrhein-Westfalen dem „Messias von Herford“, wie eine Zeitung titelte, ein totales Heilverbot auferlegt, das in der Bevölkerung für Aufruhr sorgte; Gröning hatte die westfälische Stadt, wo er mit seiner Behandlung eines an Muskelschwund erkrankten Buben ins Licht der Öffentlichkeit gerückt war, allerdings schon vorher verlassen - aus Enttäuschung über das Unverständnis der Behörden seinen „geistigen Heilungen“ gegenüber, wie es im Film hieß. Dann setzte der damals 43jährige seine Hoffnungen auf Bayern, wo ihm die Behörden zunächst ganz offenkundig wohlgesonnen waren. Nicht nur der Münchner Polizeipräsident Pitzer bekannte sich - von einem Ischiasleiden befreit - öffentlich zu Gröning und seinen „geistigen Heilungen“. Das Bayerische Innenministerium sprach von einer „freien Liebestätigkeit“.
Das Oberbayerische Volksblatt allerdings prangert in seiner Ausgabe vom 10. September 1949 den „Jahrmarktrummel“ und nicht zuletzt die „unhaltbaren hygienischen Zustände“ an, die sich zwangsläufig ergeben, wenn tausende – insbesondere kranke - Menschen bei „tropischer Hitze und wolkenbruchartigem Regen“ tagelang im Freien hausen, um auf ihren „Heiler“zu warten. „Die Gefahr einer Seuche für Rosenheim sollte bedacht werden!“, warnt die Redaktion.
Am 13. September 1949 verlassen die Massen schließlich den „Traberhof“, wo der „Wunderheiler“ ursprünglich eine ordnungsgemäße Heilstätte errichten wollte, nach dessen Ankündigung zu verreisen. Und es wird ruhiger um Gröning, der von sich immer wieder sagt, dass seine Kraft „keine menschliche“ sei. Seine Lehre, sich auf den „Heilstrom“ einzustellen, wird noch heute von mehreren hundert örtlichen Freundeskreisen hochgehalten.
27. Oktober 2004

nach oben